Es ist schon komisch. Die Sonne scheint und und scheint einen förmlich nach draußen zu locken.
Es ist Mitte März und der Jahresanfang war doch bisher völlig verregnet und irritierend milde. Der Februar war sogar der zweitmildeste und -nasseste seit Beginn der Wetteraufzeichnung – Sachen gibts … Übrigens ein untrügliches Zeichen für den Klimawandel (war da was?). Ein Thema, das aktuell zu Recht in den Hintergrund rückt. Und dennoch, ist es nicht verwunderlich, wie viel auf einmal – ja, sagen wir mal – möglich ist? Wie Gesellschaften bereit sind zu handeln, wenn eine Herausforderung an ihre Haustür klopft? Oder einfach ungefragt über die Türschwelle tritt?
Warum Corona uns alle betrifft
Die Auswirkungen von Corona verändern uns aktuell. Die Meisten (ich hoffe, dass es möglichst schnelle ALLE sein werden) haben den Ernst der Lage erkannt. Maßnahmen müssen getroffen werden, ich (als Individuum) muss meinen Alltag einschränken, weil ich damit einen Beitrag leisten kann. Stichwort Infektionsketten unterbrechen und meine Mitmenschen schützen, um damit unser Gesundheitssystem zu entlasten. Hierzu gibt es übrigens eine klasse Animation der Washington Post (flattern the curve – die Infektionskurve abflachen), welche die Auswirkungen der verschiedenen Maßnahmen anschaulich visualisiert hat. Wir finden also aktuell ein klassisches Szenario vor (welches bestimmt auch eine psychologische/ soziale Bezeichnung hat), in dem wir die Bedrohung als nah und konkret empfinden und die mit ihr verbundenen Auswirkungen (Infizierte und Tote in Deutschland) direkt spüren. Und wir handeln. Und wie. Mit drastischen Einschnitten. Und alle ziehen mit und sind sich ihrer Motivation und Gründe bewusst.
Wieso Corona so heftige Maßnahmen hervorruft
Unsere ( meine, die Wuppertaler, nordrhein-westfälische, deutsche, europäische, weltweite) Reaktion auf Corona zeigt wunderbar, was passieren muss, damit wir ein Problem/ eine Herausforderung ernst nehmen und wir einen enormen Kraftakt vollbringen wollen, um dieses Problemes/ dieser Herausforderung Herr (oder Frau) zu werden. Das Problem oder die Herausforderung muss
- uns persönlich betreffen und lokal spürbaren Einflüsse aufweisen
- einen eindeutig identifizierbaren Input (Schaden) aufweisen, den wir erkennen können
- eine zeitlich kurzfristige, wenn nicht sogar sofortige Reaktion erforderlich machen
Warum reagieren wir bei Corona anders als beim Klimawandel?
Das alles passt auf Corona und die Liste lässt sich sicherlich beliebig erweitern. Aber übertragen wir das Ganze doch mal aus Sicht der „westlichen Welt“ auf den Klimawandel.
- Trifft uns der Klimawandel aktuell persönlich und ist dieser lokal zu spüren
- Ja, aber die Auswirkungen sind in Deutschland wärmere Sommer und mildere Winter – könnte also schlimmer sein (Dürren und ein nicht schiffbarer Rhein sind weitere Vorboten)
- Außerdem gibt es Fridays for Future Bewegungen, die das Thema immer wieder adressieren und hierfür sensibilisieren muss
- Was aber auch schon die Problematik zeigt – für Corona muss keine mehr sensibilisieren, jeder sieht die Auswirkungen
- Erzeugt der Klimawandel einen eindeutig identifizierbaren Input (Schaden)
- Ja, die Erde erwärmt sich. Punkt. Das hat unterschiedliche Auswirkungen
- Am Nord- und Südpol schmelzen die Polkappen, in unseren Breitengraden werden die Sommer und Winter wärmer und überall auf der Welt gibt es deutlich mehr Wetterextreme (Hitzewellen, Dürren, Stürme, Hochwasser, ….) mit den Folgen für die Gesellschaften vor Ort (Unbewohnbarkeit der Heimat, Migration, Hungersnöte, …)
- Aber – und das ist für die Bewertung und Gegenmaßnahmen aktuell noch entscheidend: Es passiert nicht bei uns vor Ort, sondern woanders auf der Welt. Und das ist weit weg. Warum soll ich hier etwas ändern, wenn hier doch alles wie vorher ist (ok, im Sommer ist es echt manchmal schon zu warm, aber immerhin kann ich mit dem Rest der Deutschen unter dieser mörderischen Hitze stöhnen)
- Macht der Klimawandel eine sofortige Reaktion erforderlich?
- Und jetzt kommen wir zum Casus knacksus (das Wort wollte ich schon immer mal verwenden). Der Knackpunkt und wieso sich die Bekämpfung der Klimakatastrophe so sehr von den Maßnahmen zu Corona unterscheidet:
- Die fehlenden lokalen Auswirkungen wiegen uns in Sicherheit. Durch Corona sehen wir die Auswirkungen direkt. Es wird uns vor Augen geführt. Jeder kann betroffen sein. Jeder hat Verständnis dafür, dass gehandelt werden muss. Die Politik handelt
- Der Klimawandel und die Auswirkungen auf die Welt wirken weit weg. Ähnlich eines Corona-Ausbruchs in China. Die Denkfalle ist die folgende: Kommt der Klimawandel zu uns (haha, es heißt übrigens globale Erwärmung und das Ökosystem Erde ist verbunden und lässt sich nicht unterteilen), können wir immer noch reagieren. Siehe Corona-Virus. Wenn in Hamburg die Elbe steigt und steigt oder Landstriche an der Nord- und Ostsee unbewohnbar werden, ja dann, können wir uns immer noch drastischere Maßnahmen überlegen und dann biegen wir das schon hin
- Der feine Unterschied zwischen Virus und Klimawandel ist aber die Trägheit. Ein Virus verändert und verbreitet sich schnell, es kann auch mutieren. Aber es lässt sich aufhalten durch Gegenmaßnahmen. Und es können Impfmittel entwickelt werden. Der Klimawandel und die daraus folgende Erderwärmung ist aber träge. Es gibt verschiedene Kipppunkte. Zum Beispiel verstärkt sich bei einer bestimmten Temperaturerhöhung das Abschmelzen der Pole. Statt einer hellen Eisfläche, das Licht und damit Wärme reflektiert, erscheinen dunkle Landmaßen. Diese speichern im Gegensatz zu hellen Flächen die Wärme und verstärken das Abschmelzen, bis es nicht mehr aufzuhalten ist
- Für den Klimawandel gibt es kein Ad-Hoc Mittel. Es helfen nur langfristige Umstellungen und Maßnahmen. Und das ist ein riesen Unterscheid zur aktuellen Lage. Hier sind kurzfristige Maßnahmen gefragt, die irgendwann hoffentlich auch wieder aufgehoben werden können. Wenn wir dagegen hier die vollen Auswirkungen des Klimawandels spüren, ist es zu spät um zusammenzurücken und sich als Gesellschaft zu besinnen.
Es geht doch …
Ich wollte hier eigentlich etwas schreiben, wie wir das schöne Wetter trotz Auflagen alleine oder zu zweit in den Wuppertaler Wäldern verantwortungsvoll genießen können. Aber manchmal entwickeln sich Themen halt beim schreiben …
Um das aber auch noch einmal klar zustellen: Ich möchte mit dem Text nichts relativieren und gleichstellen. Es ist absolut richtig und wichtige alle unsere Anstrengungen und Mühen in die Verhinderung der Weiterverbreitung des Corona-Virus zu stecken. Mir ist nur der Gedanke gekommen, wieso auf einmal so drastische Einschnitte in allen Lebensbereichen möglich sind und alle diese gut heißen. Geht es dagegen um Maßnahmen zur Verlangsamung des Klimawandels,rücken immer die Punkt in den Vordergrund , warum gerade diese Maßnahme nicht funktionieren (bitte hier wahlweise einsetzen: Einschnitt in die persönliche Freiheit (ich denke hier an ein Tempolimit auf Autobahnen ….) / schadet der Wirtschaft / können wir der Gesellschaft nicht zu muten / Pah, ich hab ein Recht darauf einen SUV zu fahren und Fleisch zu essen. Davon rettet sich das Klima auch nicht).
Ich bin gespannt, wie sich unsere Gesellschaft nach dieser Zeit aufstellt und welche Veränderungen wir alle im Alltag spüren. Oder was wahrscheinlicher ist – alles geht so weiter wie zuvor – und eine große Chance, bestimmte Prämissen und Werte der Gesellschaft zu hinterfragen, ist vertan.
Bleibt gesund und verantwortungsvoll
Das Wichtigste ist und bleibt allerdings, dass wir alle Gesund bleiben und – behaltet das bitte auch bei – die aktuellen Maßnahmen befolgen. Aktuell sind in Wuppertal Ansammlungen von mehr als vier Menschen verboten und das ist auch richtig so. Haltet euch daran und versucht auch im persönlichen Umfeld eure Kontakte begrenzt zu halten.
Und um dann doch noch die Kurve zum Beginn des Textes zu bekommen. Auf einmal ist Frühling. Zweistellige Temperaturen. Und die Sonne lockt. Wer sich etwas an der frischen Luft bewegen will, kann das natürlich tun. Wichtig ist nur, dass ihr die empfohlenen zwei Meter Abstand einhaltet und alleine oder mit eurer engen Bezugsperson unterwegs seit. Also am besten nicht mit Menschen, mit denen ihr sonst nichts zu tun habt. Und vielleicht Wege auszusuchen, die nicht überlaufen sondern etwas abgelegen sind.
Passt auf euch auf und bleibt gesund 🙂